Im Gedenken an die Bahnhofskatastrophe vor 80 Jahren
Pritzwalk. Mit einer Schweigeminute gedachten am Nachmittag des 15. April Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung und des Stadtparlamentes der Opfer der Bahnhofskatastrophe vor 80 Jahren. Museumsleiter Lars Schladitz schilderte kurz die Ereignisse am 15. April 1945. Der Platz war damals dicht bebaut. Als symbolischer Platz des Friedens wurde er beim Neubau des Bahnhofes zehn Jahre nach der Katastrophe nicht neu bebaut.
Einen Kranz niedergelegt
Der stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Pritzwalk, Siegbert Winter, legte mit dem Sachbereichsleiter Soziales, Christopher Nowak, am Gedenkstein einen Kranz nieder. Zum Gedenken waren Helmut Kühn, Dr. Christian Kloß und Christa Pfeifer (Freie Wähler Pro Prignitz) sowie Margit Vogel und Andreas Schnürle (SPD) gekommen.
Der Bahnhof vor dem Unglück. Quelle: Archiv Museum Pritzwalk
Am Abend des 15. April 1945 genossen die Menschen im Lichtspielhaus direkt gegenüber dem damaligen Bahnhof den Film „Es fing so harmlos an“ mit Johannes Heesters. Gegen 22 Uhr gab es Voralarm, weil sich Flieger näherten. Wenig später brach eine der schlimmsten Katastrophen der Pritzwalker Stadtgeschichte los.
Das Lichtspielhaus am Pritzwalker Bahnhof. Es wurde völlig zerstört. Quelle: Illustrierte Geschichte Pritzwalks
Beim Luftangriff eines Tieffliegers geriet ein im Bahnhof abgestellter Munitionszug in Brand. Ein Lokführer versuchte noch, den Zug aus dem Bahnhof zu fahren, starb aber dabei. Die verheerende Explosion zerstörte das komplette Bahnhofsviertel und richtete im Umkreis von einem Kilometer enorme Schäden an.
Eine Zeitzeugin kommt zu Wort
Günter Becker sandte der Stadt Pritzwalk einen Brief seiner Mutter Erika zu, die die Katastrophe miterlebt hat. Sie schilderte in dem Schreiben vom 19. September 1945 ihrer Cousine das schreckliche Erlebnis. Oma und Mutter waren aus Orbornik/Kreis Posen geflohen und ab Februar 1945 bei der Tierarztwitwe Frau Herman am Bahnhof in Pritzwalk einquartiert.
„Dort wohnten wir nun bis zum 15. April. Da wurden wir plötzlich um ½ 11 Uhr durch Tieffliegergeknatter aus dem Schlaf gerissen, in Windeseile (…) schnell übers Nachthemd ein Kleid angezogen, den Mantel drüber und wieder in den Keller, dann ging auch schon der Zauber los.
An der Doerfelstraße/Ecke Jahnstraße blieben nur noch die Außenhüllen der Gebäude stehen. Quelle: Archiv Museum Pritzwalk
Ich war im Keller und Mutti oben auf dem Flur. Sie war gerade im Begriff, mit dem letzten Koffer runterzukommen, da hat sie die ganze Decke auf den Kopf bekommen. Sie war verschüttet und hat sich noch so mit letzter Kraft rausgearbeitet. Wir im Keller wurden nur umhergeschleudert.
"Es brannte rundherum"
Mutti hat mich gleich gerufen, wir hatten uns dann zusammen gehalten, um aus dem brennenden Haus zu flüchten. Wir gaben uns schon verloren, weil wir keinen Durchgang fanden, es brannte rundherum. (...) Dann gingen wir aus Verzweiflung durch ein Fenster mit 2 Frauen und Kindern auf die brennende Straße. (…) Draußen am Bahnhof war die Hölle los. Aus dem Kino sind nur 2 Reihen herausgekommen. (…) Die Stadt sah am nächsten Tag grauenhaft aus.“
Frauen beseitigen die Trümmer der Gebäude nach der Explosion. Quelle: Archiv Museum Pritzwalk
Die Zahl der Toten wird auf etwa 200 geschätzt. Genau lässt sich das nicht mehr nachvollziehen, sagte Lars Schladitz bei der Kranzniederlegung. „Die Stadt war damals voll mit Menschen: neben den Einwohnern waren hier Flüchtlinge, Zwangsarbeiter, Soldaten auf Fronturlaub. Nicht jeder war in der Stadt angemeldet und konnte identifiziert werden.“
TIPP Am Montag, 5. Mai, wird es ein Gedenkveranstaltung im Bahnhof geben. Zwischen 15 und 17 Uhr zeigen Schülerinnen und Schüler des Pritzwalker Gymnasiums das Theaterstück „Es fing so harmlos an“. Im Anschluss gibt es einen Vortrag mit Zeitzeugenberichten und Forschungsergebnissen.
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